Eine handliche Lösung zum Austausch von Dateien ist Nextcloud schon längst nicht mehr. Filesharing im Internet und Netzwerk ist zwar weiterhin eine der Kernfunktionen der Open-Source-Cloud. Nextcloud wird aber zunehmend zur umfassenden Kollaborationsplattform, nachdem viele optionale Add-ons für Videokonferenzen und für ein Online-Office-Paket leichter verfügbar wurden.
Der Namenszusatz „Hub“ verdeutlicht seit 2020 diese Neuausrichtung. Schon bei der Neueinrichtung auf einem Server bietet der PHP-Installer an, die Add-ons für Fotoalbum, Webmail, Kalender, Videokonferenzen über „Talk“, „Flow“ zur Automatisierung und Collabora Office mit einzurichten. Damit stellt sich Nextcloud als Alternative zu Microsoft Office 365 und den Cloudangeboten von Google auf.
Seit den letzten zwei Versionen haben die Köpfe hinter Nextcloud ein neues Thema entdeckt: künstliche Intelligenz als Hilfe bei Arbeitsabläufen. Seitdem sind nicht nur die Pressemitteilungen gespickt mit Trendbegriffen, es finden sich die ersten praktischen bis experimentellen Umsetzungen von KI-Ansätzen in der Nextcloud.
Seit Nextcloud Hub Version 6 sind einige der Anwendungen von künstlicher Intelligenz und deren Einrichtung über zusätzliche Komponenten auf dem eigenen Linux-Server besser dokumentiert und laut den Entwicklern weiter gereift.
Dieser Beitrag stellt die KI-Anwendungen von Nextcloud Hub 6 vor, zeigt den potenziellen Nutzen und den aktuellen Entwicklungsstand. Denn bei Nextcloud reifen Ideen und neue Features oft beim Anwender beziehungsweise bei den Administratoren, die sich um eine Nextcloud-Instanz kümmern.
Maschinelle Übersetzungen
IDG
Nextcloud Hub 6 bietet mehrere Möglichkeiten für die maschinelle Übersetzung von Texten an. Eine rein lokal laufende Übersetzungs-App nutzt das Modell „Opus“ der Universität Helsinki, das die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Chinesisch kennt. Die Erweiterung dazu findet sich unter den Apps als „Translate“ und verlangt einen Ausflug in das Terminal, um auf dem Server im Nextcloud-Verzeichnis die Sprachmodelle mit
sudo -u [User] php -f occ translate:download-models
herunterzuladen. Diese umfassen entpackt rund 10 GB, die im Verzeichnis des Webservers gespeichert werden. Die Übersetzungsfunktion findet sich dann bei Texteingabemasken wie beispielsweise dem integrierten Texteditor über die drei Punkte in der Menüleiste.
Alternativ zu diesem lokal laufenden Übersetzungsdienst gibt es eine Schnittstelle zu Deepl über die App „Deepl Integration“, die sich mit einem Benutzerkonto und dem zugehörigen API-Schlüssel zum Deepl-Server verbindet. Als dritte Variante, die einen selbst betriebenen Server mit einer bereits eingerichteten Instanz von Libretranslate im LAN oder Internet kontaktieren kann, gibt es die App „LibreTranslate Integration“. Diese war zum Redaktionsschluss noch als experimentell markiert.
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Die angebotene maschinelle Übersetzung über Opus mit der App „Translate“ ist gut für einzelne Begriffe und kürzere Sätze zu gebrauchen und hat den Vorteil, dass kein anderer Server kontaktiert wird. Aufgrund der Größe der benötigten Sprachmodelle ist dies eine Lösung für ausgewachsene Linux-Server.
Sicherheit: Verdächtige Log-ins erkennen
Die Erweiterung „Suspicious Login“ ist nur auf Nextcloud-Instanzen mit vielen Nutzern sinnvoll. Dort kann es passieren, dass einem Benutzer die Anmeldedaten gestohlen werden. Anhand von Benutzernamen und den üblicherweise von diesem Nutzer stammenden IP-Adressen kann die vorinstallierte App „Suspicious Login“ ein Profil erstellen.
Auf einer frischen Nextcloud-Installation können Admins diese App über das aufklappende Menü rechts oben mit „Apps –› Deine Apps –› Suspicious Login“ aktivieren. Die Erkennung verdächtiger Anmeldungen basiert auf einem neuronalen Netzwerk, das zunächst 60 Tage lang Daten aus den Nextcloud-Logs sammelt und als komprimierten Datensatz speichert, um Platz zu sparen.
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Falls eine Anmeldung von einer untypischen IP-Adresse erfolgt, dann bekommt der Nextcloud-Nutzer einen Warnhinweis in den Benachrichtigungen. Admins können in der Nextcloud-Oberfläche unter „Verwaltung-Einstellungen –› Verwaltung –› Erkennung verdächtiger Anmeldungen“ die Warnungen einsehen, um dann laufende Sessions zu beenden und Passwörter zurückzusetzen. Vor Ablauf der 60 Tage reichen die Daten noch nicht aus und die App zeigt an dieser Stelle noch nichts an.
Eine Auswertung von Anmeldungen anhand von IP-Adressen und Profilen ist ein willkommenes Plus an Sicherheit, wenn auch kaum dazu geeignet, im Vorfeld eine missbräuchliche Anmeldung zu verhindern. Dafür ist die Zwei-Faktor-Authentifizierung besser geeignet, die ebenfalls in den Sicherheitseinstellungen auf ihre Aktivierung wartet.
Fotos finden: Erkennung per KI
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Mit der KI-Bibliothek Tensorflow kann Nextcloud per App Bildinhalte erkennen und bei der Kategorisierung mit Tags helfen. Die KI-App findet sich im App-Verzeichnis unter „Multimedia –› Recognize“ und ist nicht vorinstalliert. Sie ist mit der Erweiterung „Suspicious Login“ inkompatibel – nur eine der beiden Apps darf installiert sein. Ist Recognize aktiviert, so fehlt es noch an den Modellen, welche die Nextcloud-Oberfläche nicht herunterladen kann. Hier geht es nur in der Kommandozeile auf dem Server weiter, wo die Eingabe
sudo -u [User] php -f occ recognize:download-models
im Nextcloud-Verzeichnis des Webservers die Modelle herunterlädt. Der Platzhalter „[User]“ ist das Konto, unter welchem der Webserver läuft – also in Debian/Ubuntu standardmäßig „www-data“. Nach dem Download, der rund 1,5 GB Daten umfasst, startet dann die Eingabe
sudo -u [User] php -f occ recognize:recrawl
im gleichen Verzeichnis den ersten Erkennungslauf über sämtliche Bilder. Für automatische Erkennungsläufe im Hintergrund muss in der Crontab das PHP-Script „cron.php“ eingetragen werden, wie die Dokumentation unter https://m6u.de/9 zeigt. Danach zeigen sich in der Übersicht der „Fotos“ mit einem Klick auf „Schlagworte“ in der linken Leiste die automatisch zugeordneten Tags.
Die Bilderkennung erfordert einen flotten Server oder viel Geduld, ist aber bei der Erkennung von Objekten sehr präzise. Weniger gut arbeitet die Gesichtserkennung von Personen. Die Tags (Schlagwörter) sind bislang nur in Englisch. Nicht ausreichend dokumentiert ist die erste Einrichtung, die zu einem Puzzlespiel gerät.
Webmail: Smarter Posteingang
Gehen zu viele (unwichtige) E-Mails ein? Wer die Nextcloud auch als Webmailer eingerichtet hat, bekommt mit der App „Mail“ einen priorisierten Posteingang. Die Webmail-Komponente findet sich in den Apps unter „Vorgestellte Apps –› Mail“ und blendet in der Leiste oben links ein Brief-Symbol ein. Ein Klick darauf erlaubt es jedem User der Nextcloud, einen eigenen Mailaccount einzurichten, vorausgesetzt, der Maildienst unterstützt das Protokoll IMAP und SMTP zum Versenden.
Falls Google Mail und der Maildienst von Microsoft funktionieren sollen, muss der Nextcloud-Admin dafür noch Vorbereitungen treffen und unter „Verwaltungs-Einstellungen –› Groupware“ jeweils eine Oauth-Verbindung zu diesen Diensten erstellen. Dort erscheint die Nextcloud-Instanz dann als externes Mailprogramm, dessen Zugriff dann nochmals von den Anwendern per Passworteingabe bestätigt wird. Der Posteingang des Nextcloud-Webmailers nutzt maschinelles Lernen, um die Reihenfolge zu erkennen, nach welcher die Nutzer ihre Mails lesen.
Bei hohem Mailaufkommen hilft die Nextcloud nach einigen Wochen der Nutzung, das Postfach übersichtlicher zu gestalten. Dieses KI-Funktion ist per Standard eingeschaltet, kann aber auch links unten in den Einstellungen abgeschaltet werden.
Open AI: Nextcloud mit generativer KI
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Neben den eigenen KI-Funktionen in den Apps von Nextcloud können per API-Zugriff auch die kostenpflichtigen Dienste von Open AI hinzugezogen werden. Dazu gibt es in der App-Übersicht die „OpenAI and LocalAI Integration“. Nach dem Herunterladen der Erweiterung zeigt sich unter „Verwaltungs-Einstellungen –› Verbundene Konten“ ein Eingabefeld für den API-Schlüssel zum bestehenden Konto auf https://platform.openai.com. Damit kann Nextcloud etwa Funktionen von Chat GPT anbieten.
Diese KI-Hilfen stehen über den „Smart Picker“ bei vielen Eingabefeldern zur Verfügung. In der deutschsprachigen Nextcloud hat dieser Menüpunkt die Bezeichnung „Intelligente Auswahl“.
Außerdem lassen sich KI-generierte Bilder auf Basis von Open AI Dall-E 2 erstellen und es gibt Sprache-zu-Text über Open AI Whisper. Unter „Verwaltungs-Einstellungen –› Künstliche Intelligenz“ kann die Reihenfolge festgelegt werden.
Local AI: KI für den eigenen Server
Nextcloud will vor allem „ethische“ KI bevorzugen: Je freier und offener eine KI und deren Trainingsdaten sind, desto vertrauenswürdiger stufen die Nextcloud-Entwickler die generierten Inhalte oder Ergebnisse ein. Nach diesen Kriterien stufen die Nextcloud-Entwickler auch die eigenen KI-Ansätze ein und vergeben dafür Farben nach einem Ampelschema. Eine einwandfreie KI muss auf dem eigenen Server laufen und die Modelle müssen frei und lokal vorhanden sein.
Für Open AI und deren Paradeanwendungen Chat-GPT und Dalle 2 trifft das nicht zu und auch generell gibt es keine breite Auswahl an lokal lauffähigen KI-Lösungen. Nextcloud setzt auf das noch im Aufbau befindliche Local AI, das später einmal Open AI vollständig ersetzen könnte und eine ähnliche API bietet, die auf dem eigenen Server läuft. Local AI übernimmt dann Bild- und Textgenerierung sowie die Transkription von Sprache nach Text.
Die Einrichtung von Local AI erfolgt mittels Docker und ist ein längerer Prozess, der englischsprachig auf https://localai.io/basics/getting_started dokumentiert ist. Auf dem Server ist eine Nvidia-GPU mit CUDA-Schnittstelle zu empfehlen. Local AI läuft auch auf CPUs, dort aber deutlich langsamer.